Lengoo: Wo Fachübersetzer und KI-Technologie sich gegenseitig ergänzen

von Mayra Viejo

Im Gespräch mit Natalie Krüger, Regional Director Switzerland bei Lengoo, erfahren wir, was Lengoo von anderen Sprachdienstleistern unterscheidet, wie KI-Technologie eingesetzt wird und wie das Übersetzen der Zukunft aussieht.

Natalie Krüger, inwiefern unterscheidet sich Lengoo von klassischen Übersetzungsagenturen?

Der Fokus liegt während des gesamten Übersetzungsprozesses auf der Entwicklung und dem Einsatz von KI-Technologie und Machine Learning. Wir setzen KI überall ein: von der Verteilung der Übersetzungsaufträge über die Auswahl passender Linguisten bis hin zur tatsächlichen Übersetzung von Inhalten mit kundenspezifisch trainierten Sprachmodellen.

Diese Sprachmodelle werden Neural Machine Translation-Modelle genannt und individuell für unsere Kunden trainiert bzw. mit ihren Übersetzungsdaten gefüttert. Auf diese Art erlernen die NMT-Modelle, wie sich ein Unternehmen in Bezug auf Terminologie, Stil, Tonalität, Satzbau und Anrede ausdrückt. Dank diesem Machine Learning können Vorübersetzungen in fast menschlicher Qualität erstellt werden. Im Anschluss posteditieren Fachübersetzer die finale Übersetzung und trainieren die Modelle wiederum mit ihren Korrekturen – so stellt Lengoo das kontinuierliche Machine Learning sicher. Die Sprachqualität der Vorübersetzung wird also laufend verbessert, weshalb Lengoos Fachübersetzer wesentlich schneller arbeiten können.

Stichwort «schneller arbeiten»: Lengoo gibt an, dank KI-Technologie dreimal schneller übersetzen zu können. Wie ist das möglich und wie kann eine solche Effizienzsteigerung gemessen werden?

Übersetzt ein Fachübersetzer einen Text ohne jegliche Hilfsmittel, bewältigt er je nach Fachbereich und Erfahrung etwa 250-300 Wörter pro Stunde. Wenn er mit einem generischen (d. h. nicht spezifisch trainierten) MÜ-System arbeitet, schafft er 400-450 Wörter pro Stunde. Mit der maschinellen Übersetzungstechnologie von Lengoo hingegen arbeitet ein Fachübersetzer mindestens dreimal schneller und kann somit ca. 1000-1500 Wörter pro Stunde übersetzen. Jede posteditierte Übersetzung wird zurück in die eigene Maschine des jeweiligen Kunden gespiesen, wodurch sich die individualisierten Sprachmodelle verbessern. Je länger also ein Kunde mit Lengoo zusammenarbeitet und je mehr Übersetzungsaufträge erledigt werden, desto mehr Zeit lässt sich einsparen. Bei langjährigen Kunden sind unsere Fachübersetzer durch die kontinuierliche Feedbackschleife und das damit verbundene Training deshalb nicht nur drei-, sondern bereits bis zu viermal schneller.

Das Zusammenspiel von Humanübersetzung und KI ist bei Lengoo dementsprechend sehr stark ausgeprägt. Inwiefern verändert dieses Zusammenspiel das Profil eines Fachübersetzers bei Lengoo?

Es ist natürlich so, dass ein Fachübersetzer gegenüber der Arbeit mit hochwertigen, maschinell erstellten Übersetzungen positiv eingestellt sein muss. Er ist nach wie vor Muttersprachler in seiner Zielsprache und verfügt über exzellente Kenntnisse der Ausgangssprache sowie eine grosse Fachkompetenz. Obwohl er nun insgesamt eher Post-Editor als Übersetzer ist, muss er dennoch über alle Fähigkeiten verfügen, die auch für das klassische Übersetzen notwendig sind. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass Texte nicht mehr von Grund auf neu übersetzt werden müssen.

Wie stellt Lengoo sicher, dass die Terminologie des Kunden richtig verwendet wird?

Die Kundenterminologie hat bei Lengoo stets Vorrang. Der korrekte Einsatz der unternehmensspezifischen und fachspezifischen Terminologie in den Übersetzungen wird dabei durch folgende Vorgehensweisen gewährleistet:

Bevor die NMT-Modelle trainiert werden, wird zunächst sichergestellt, dass die Translation Memories (TM) auch die richtigen Termini bzw. Glossarelemente enthalten. Dies setzt somit eine Bereinigung voraus, um eventuelle Inkonsistenzen zu beseitigen. Eigens dafür hat Lengoo Tools und Prozesse entwickelt, die unter anderem die TM auf Glossarkonformität prüfen und korrekte Übersetzungen von Begriffen in veraltete oder inkonsistente TM-Segmente einfügen.

Zusätzlich implementieren wir eine vollständige Glossarunterstützung in unsere professionelle Übersetzungsumgebung. Auf diese Weise haben unsere Linguisten während des Übersetzungsprozesses stets das Glossar des Kunden zur Verfügung.

Wie gewährleistet Lengoo Schweizer Kunden den Datenschutz?

Wir behandeln Kundendaten absolut vertraulich. Der Datentransfer findet ausschliesslich über das Lengoo-Kundenportal statt und ermöglicht die direkte Kommunikation zwischen Auftraggebern und Ansprechpartnern bei Lengoo sowie den eingesetzten Fachübersetzern. Unsere NMT-Modelle sind alle kundenspezifisch und werden ausschliesslich für den entsprechenden Kunden verwendet. Für das Training der individualisierten Modelle werden lediglich die historischen Übersetzungsdaten des Kunden sowie Daten des jeweiligen Fachbereiches eingesetzt. Des Weiteren sind alle Daten von Lengoo auf Servern in Deutschland gespeichert, unterliegen somit den strengen Vorschriften der DSGVO und entsprechen ebenfalls den Schweizer Datenschutzanforderungen.

Wie sieht Ihrer Meinung nach der Sprachdienstleister der Zukunft aus?

Aus meiner Sicht können Sprachdienstleister nur durch ein hohes Mass an Automatisierung und technologischer Kompetenz zukunftsfähig werden und auch bleiben. Unsere Entwickler bei Lengoo arbeiten täglich an schnelleren und besseren Übersetzungsmodellen. Gebremst werden wir lediglich durch eine natürliche Obergrenze: die Lesegeschwindigkeit. Selbst bei einer perfekten Maschine muss ein Mensch den Ausgangstext und vor allem den Zieltext noch einmal lesen und absegnen. Der Mensch wird im Übersetzungsprozess also unersetzlich bleiben. Der Grund liegt darin, dass sich Sprache stetig verändert in vergleichsweise sehr kurzen Zeiträumen. Dementsprechend hat die Maschine nie ausgelernt, sondern muss – mit Hilfe von humanen Sprachspezialisten – immer weitertrainiert werden.

Unser Ziel ist es, dass sich der Mensch nur noch auf diejenigen Bereiche eines Dokumentes fokussieren muss, bei denen ein kreativer Aufwand dahintersteckt. Wenn in Zukunft deshalb nur noch die Hälfte eines Dokuments posteditiert werden muss, wird Lengoo noch schneller sein.

Natalie Krüger, herzlichen Dank für diesen spannenden Einblick in die Welt von Lengoo.


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