LexMachina: die Übersetzungsmaschine für Schweizer Anwälte

von Mayra Viejo

Seit Kurzem ist die Website zu LexMachina online. Im Interview mit Paula Reichenberg der Hieronymus AG erfahren wir, an wen sich das Angebot der Übersetzungsmaschine richtet, für welche Textarten LexMachina eingesetzt und weshalb der Job eines Übersetzers noch lange nicht verschwinden wird.

Paula Reichenberg, Sie haben mit LexMachina die erste auf Schweizer Recht spezialisierte neuronale Übersetzungsmaschine geschaffen. Was genau ist LexMachina, was kann sie und wen soll sie ansprechen?

LexMachina ist eine neuronale Übersetzungsmaschine, die speziell auf Schweizer Recht trainiert wurde. Sie ist ein Produkt der Hieronymus AG und erlaubt Schweizer Anwälten und anderen, im Rechts- oder Finanzbereich tätigen Personen und Unternehmen, kurze wie auch längere Texte aus dem Deutschen ins Französische, Italienische und Englische oder vice versa zu übersetzen – mit einem Mausklick. LexMachina hat den Vorteil, mit juristischer Terminologie und schweizerischen Formulierungen viel besser umgehen zu können als herkömmliche Übersetzungsmaschinen, da sie mit Schweizer Rechtstexten trainiert wurde.

Ein weiterer Pluspunkt ist die Sicherheit, denn bei der Übersetzung werden keine Daten gespeichert. Alle Server befinden sich in der Schweiz und die Übersetzungsprozesse entsprechen den Sicherheitsanforderungen gemäss ISO 27001 für Informationssicherheit. All das macht LexMachina wohl zur sichersten Übersetzungsmaschine, die Schweizer Anwälten und juristischen Fachpersonen direkt zur Verfügung gestellt wird.

Wie kann LexMachina genutzt werden?

Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass LexMachina eigenständig ist. Das bedeutet, dass die User die Translation Engine unabhängig von sonstigen Sprachdienstleistungen der Übersetzungsagentur Hieronymus nutzen können.

Die Übersetzungsmaschine funktioniert mit einem Abo: Für 75 Franken im Monat erhalten die Benutzer unbegrenzten Zugang zur Übersetzungsmaske mit Ausgangs- und Zielfeld. Dort können sie ganze Dokumente wie Word, Excel, PowerPoint, PDF, xml und so weiter hoch- und herunterladen, wobei das Dateiformat und Layout der Originaldatei in der übersetzten Zieldatei beibehalten wird. Dabei werden, wie erwähnt, keinerlei Daten auf den Servern gespeichert.

Die Benutzer erhalten ausserdem Zugang zu ihrem persönlichen Kundenkonto, über das sie zusätzliche Leistungen in Auftrag geben können (zum Beispiel ein Post-Editing der maschinell erstellten Übersetzung durch einen spezialisierten Linguisten).

Die eingegebenen Daten werden also nicht gespeichert. Auch für den Kunden nicht?

Das ist richtig. Die Daten bleiben nur während des Übersetzungsprozesses auf den Servern von LexMachina, also nur während ein paar Sekunden oder Minuten. Weder Ausgangstext noch Zieltext werden gespeichert, auch nicht für zukünftige Übersetzungen.

Benötigt der Benutzer ein Lektorat oder eine Beglaubigung, lädt er das Dokument zu diesem Zweck separat hoch. In diesem Fall bleibt das Dokument so lange auf dem Server, bis die Dienstleistung erbracht wurde.

Steht LexMachina nur Anwälten zur Verfügung?

Unsere Lösung wurde tatsächlich in erster Linie für Anwälte konzipiert, diese eignet sich jedoch auch besonders für Wirtschaftsprüfer, Banken und Versicherungsgesellschaften. Diesen Unternehmen bieten wir massgeschneiderte Engines an, das heisst angepasste LexMachina-Motoren, die ihren spezifischen Bedürfnissen entsprechen. Unternehmen können die speziell für sie entwickelten Engines auf ihren eigenen Servern benutzen.

Wie geht LexMachina mit Terminologie und insbesondere mit der kundenspezifischen Terminologie um?

Dass LexMachina jeweils die korrekte Terminologie verwendet, gewährleisten wir mit folgenden Strategien:

1. Spezifisches Training mit fachspezifischen Daten:
Wir trainieren unsere Übersetzungsmotoren und -submotoren mit einer grossen Anzahl relevanter Schweizer Fachtexte. Die Submotoren sind Maschinen, die auf juristische Fachgebiete oder einzelne Dokumentarten spezialisiert sind, beispielsweise auf Strafrecht oder Statuten. Diese können vor der Übersetzung entsprechend ausgewählt werden. Durch das Trainieren mit fachspezifischen Daten wendet LexMachina automatisch den passenden Stil und die passende Terminologie an.

2. Dynamic Learning:
Des Weiteren erlaubt uns die Technologie des Dynamic Learning ein zeitnahes Training des Übersetzungsmotors. Die Engine lernt somit aus den Korrekturen des Übersetzers im Rahmen eines Post-Editings.

3. Tool zur Terminologieverwaltung:
Dank diesem Tool kann die gewünschte Terminologie «aufgezwungen» werden – ein Ansatz, der auch Terminologie-Integration oder Terminologie-Forcierung genannt wird. Dabei lädt der Benutzer seine eigene Terminologie hoch, die die Maschine zu verwenden hat.

Wie wird LexMachina trainiert und wie oft?

Um ein NMT-System (NMT = Neural Machine Translation) wie LexMachina zu trainieren, wird es mit zahlreichen ein- oder zweisprachigen Daten versorgt. Aus diesen Daten erkennen die eingesetzten neuronalen Netzwerke diverse Muster und Regeln, woraus eine einzige Formel ermittelt wird. Durch diese Formel, auch Algorithmus genannt, lernt die Maschine die Zusammenhänge zwischen zwei Sprachen.

Dieses Verfahren oder Training kann mehrere Tage oder sogar Wochen dauern und bedarf einer sehr hohen Rechenleistung. Zudem lohnt sich ein neues Training nur, wenn genügend neue Daten vorhanden sind, zum Beispiel ein- bis zweimal pro Jahr. Zwischen den Trainings kann der Algorithmus mit Dynamic Learning jedoch kontinuierlich angepasst werden.

Bei welcher Art von Texten ist der Einsatz von LexMachina sinnvoll?

Für die Maschinelle Übersetzung sind besonders jene Texte geeignet, die wiederkehrende Satz- oder Absatzmuster aufweisen, ähnliche Themen behandeln oder gleichen Zwecken dienen. Dazu gehören beispielsweise Schweizer Arbeitsverträge, Statuten einer AG oder GmbH, AGB, Aktienkaufverträge, Kotierungsprospekte, Umtauschangebote usw.

Hieronymus selbst setzt LexMachina intern bei geeigneten Aufträgen ein. Auch in diesen Fällen bleiben die Übersetzungsprozesse gleich: Der Text wird durch einen juristischen Übersetzer überarbeitet beziehungsweise posteditiert und durch einen Lektor mit Schweizer Anwaltspatent lektoriert. Das gesamte Projekt wird vom verantwortlichen Projektmanager betreut, der sich vor der Kundenlieferung noch um ein zusätzliches finales Lektorat kümmert.

Die Maschinelle Übersetzung kann den Job eines Übersetzers also nicht vollständig ersetzen?

Reine Maschinelle Übersetzung kann genügen, wenn eine Übersetzung nur zum Zwecke des allgemeinen Verständnisses gebraucht wird, beispielsweise um die tägliche Kommunikation mit Kunden und Kollegen zu erleichtern (die sogenannte zweckmässige MÜ). Für Texte, die publiziert werden sollen oder einen rechtsbindenden Charakter haben, bleibt das Lektorat durch eine Fachperson oder einen professionellen Übersetzer unentbehrlich, denn auch eine gut trainierte Maschine hat ihre Schwächen, wie etwa Inkonsistenzen oder «kreative» Übersetzungen von Begriffen, die für den Übersetzungsmotor unbekannt sind. Eine fehlerfreie Maschinelle Übersetzung kann also nie gewährleistet werden, was das Post-Editing durch einen professionellen Linguisten und/oder Fachspezialisten absolut erforderlich macht.

Dank LexMachina kann der Anwalt auf Wunsch diese Aufgabe selbst effizient erledigen, unter Wahrung all seiner Vertraulichkeitspflichten.

Ist das Angebot denn preislich wirklich noch attraktiv, wenn für eine fehlerfreie Übersetzung ein Post-Editing dazugebucht werden muss?

LexMachina bleibt auch mit Post-Editing die kostengünstigste und zeitsparendste Lösung für Schweizer Anwälte und juristische Fachpersonen. Der Kunde spart durch den Einsatz von Maschineller Übersetzung nicht nur Zeit und Geld, sondern muss dabei auch nicht auf juristische Genauigkeit oder Vertraulichkeit verzichten. Darauf sind wir sehr stolz.

Paula Reichenberg, wir danken Ihnen für dieses Interview.


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